Hast Du schon mal versucht, an nichts zu denken?
Ich meine nicht an das Nichts. Das ist eine philosophischer Begriff, das Nichts gibt es nicht. Und falls es doch irgendwo einmal auftauchen sollte, ist die Natur stets bestrebt, es auszufüllen, mit Etwas. Das Nichts existiert nur in unserem Bewußtsein. Als riesiges Chaos. Erst dann, wenn unser Bewußtsein aufhört, dann haben wir das Nichts, das wirkliche Nichts. Und es ist immer ein personifiziertes Nichts. Es ist nicht übertragbar, auch nicht durch eine Vollmacht. Kurz und gut: Das letzte Hemd hat keine Taschen.
Eine weitere Form des Nichts ist ein leeres Bankkonto. Dort kann sogar ein Gar-Nichts vorkommen oder ein Überhaupt-Nichts. Dafür haben die Lombarden im Mittelalter die Roten Zahlen erfunden. Die sogenannte Schwarze Null ist in unserer Betrachtung in diesem Zusammenhang von speziellem Interesse. In der Schule lernte ich, daß die Null immer schwarz ist. Und daß die Roten Zahlen erst bei minus eins beginnen. Was also, zum Teufel, soll das bedeuten? Aber das ist ein Trick, der von jedermann leicht zu durchschauen ist. Ja, ja, unsere Politiker sind sehr einfallsreich, aber manchmal auch nur einfältig …
Stell Dir vor, Du sitzt in Deinem Lieblingssessel. Du hast ein langweiliges Buch, in dem Du zu schmökern versuchst, und/oder im Fernsehen läuft die n-te Wiederholung der Lieblingsserie Deines / Deiner PartnerIn, oder Dein(e) PartnerIn hält Dir zum n-ten Male einen Vortrag über die Minimierung des Stromverbrauchs durch das AUS-Betätigen des Lichtschalters. (Wobei „n“ eine unendliche Anzahl sein kann, der kleinste Wert von „n“ ist jedoch immer „1“.) Dabei sind alle Zimmer mit modernen LED-Leuchten ausgestattet. Der Haushalt verfügt aber über eine Kühlkombination mit Gefrierteil, und es wird jeden zweiten Tag in einer Waschmaschine Wäsche gewaschen, die man anschließend in einen elektrischen Trockner steckt. Und das schmutzige Geschirr wird täglich in einem drei Stunden dauernden Waschprozeß mit einer Spülmaschine gereinigt.
Und jetzt denke einfach an nichts! Manche nennen das Meditation. Andere sagen, sie schalten auf Durchzug. Aber dafür wäre Voraussetzung, daß sich zwischen den Ohren kein Hindernis, also nichts, befindet. Ich erinnere mich an eine Karikatur, auf der ein Arzt einem Patienten mit einer Lampe in des rechte Ohr leuchtet und der Lichtstrahl kommt zum linken wieder heraus. Aber das ist nicht die Schuld des Arztes. Obwohl: ich kenne Leute, die geben immer den Ärzten die Schuld an allem, oder den Politikern, oder den Lehrern, oder den Polizisten, oder der Straßenverkehrsordnung.
Der US-amerikanische Fernsehsender NBC brachte es fertig, eine Sitcom-Serie zu produzieren, in der es um nichts geht. Sie heißt „Seinfeld“, war sehr erfolgreich und wurde inzwischen beendet. Der Verfasser, der auch die Hauptrolle spielt und tatsächlich Jerry Seinfeld heißt, soll sich dem Vernehmen nach, mit Preisen geehrt und mit Tantiemen überhäuft, auf dem Lande zur Ruhe gesetzt haben. Hin und wieder wird die Serie auf ZDFneo wiederholt. Ich kann sie jedem nur empfehlen. Und ich garantiere: Am Ende jeder einzelnen Folge wirst Du Dir an den Kopf fassen und überlegen, worum es eigentlich ging. Das ist sehr amüsant.
Nicht so amüsant ist es, wenn die Gedanken nie zur Ruhe kommen. Wenn sie kreisen wie eine tibetanische Gebetsmühle und klappern wie ein katholischer Rosenkranz. Die Auswahl der Angelpunkte ist groß, hast ja lange genug gelebt. Besonders nachts um drei Uhr. Wenn Deine Schmerz-Baustellen, ausgestattet mit grellen Warnleuchten, Deine ganze Aufmerksamkeit fordern. Du kannst nicht unentwegt Schmerzmittel nehmen. Besonders, wenn Du als Bauleiter noch ein paar andere Projekte zu betreuen hast, und Du machst Dir Sorgen, weil das Große Nichts immer näher rückt. Du kannst es nicht beeinflussen. Und schläfst Du, wider Erwarten, doch ein, träumst Du von Seinfeld und seinen skurrilen Freunden oder von Ereignissen in Deinem Leben, die Du eigentlich zu vergessen hofftest …
Nun, liebe Freunde und Sympathisanten, verehrte Gäste, wie Ihr seht, kann man auch einen Blogartikel über nichts verfassen.
Du überrascht immer wieder mit neuen Ideen für Artikel. Ich lese gern auf Deiner Seite und hoffe, dass Dir nie die Ideen ausgehen.