Baum und Borke

Der Mensch liebt den Baum. 
Einen Baum kann man nicht herzen und küssen, man kann ihn nicht streicheln. Er setzt sich nicht auf deinen Schoß und er apportiert keine Stöckchen oder die Morgenzeitung. Er zwitschert kein fröhliches Lied, um den Morgen zu begrüßen.
Nicht einmal ein kleiner Baum ruft den Schlüsselreiz des Kindchenschemas beim Menschen hervor, wie es ein Kätzchen, ein Hündchen oder ein Vögelchen tut.
Mit Ausnahme vielleicht eines Bonsaibaumes, aber Bonsai haben die Japaner nur erfunden, weil sie so wenig Platz auf ihren Inseln haben.

Was ist es also, das wir Menschen an Bäumen so lieben?
Ihre Beständigkeit, die über die eines Menschen weit hinausgeht? Ihre Kraft und Zähigkeit, die sie Stürmen, Unwettern und Katastrophen trotzen läßt?
Ein Baum ist eine Pflanze. Fast alle Pflanzen haben die merkwürdige  Eigenschaft, dem natürlichen ästhetischen Empfinden der Menschen  zu genügen. Das kann man nicht von allen Tieren sagen. Die meisten  Tierarten rufen in uns sogar Ekel und Ablehnung hervor. Und daß es  Bäume gibt, deren Früchte der Mensch zum Fressen gern hat, ist eine Binsenweisheit.

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Und hier noch eine Redensart zum Thema:
„Pilze wachsen schneller als Eichen.“

Und zum Schluß noch eine wenig Klugschiß aus der Rubrik „Was sagen große Köpfe dazu?“:

„Mit Fanatikern zu diskutieren heißt mit einer gegnerischen Mannschaft Tauziehen spielen, die ihr Seilende um einen dicken Baum geschlungen hat.“

Hans Kasper
(1916-1990; deutscher Schriftsteller, Hörspielautor) 
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(c) Bernd Mai 2012