Kleine Landeskunde -Heute:
Der Sachse – dein unbekannter Nachbar
Die Bewohner des Freistaates Sachsen sind in Wirklichkeit gar keine Sachsen. Die wahren Sachsen leben auf dem Territorium Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens. Dort befand sich bis ins hohe Mittelalter das Stammesherzogtum des germanischen Stammesverbandes der Sachsen. Der Name leitet sich wahrscheinlich vom ‚Sax‘, dem kurzen, einschneidigen Schwert, ab, das jeder freie sächsische Mann zu tragen pflegte.
Das Herzogtum der Sachsen war sehr mächtig, und zur Zeit seiner größten Ausdehnung im 12. Jahrhundert reichte es im Osten bis Magdeburg und Wittenberg.
Das Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen war im frühen Mittelalter von slawischen Stämmen besiedelt. Sie bildeten lockere Stammesgemeinschaften und waren mit der Bildung eines eigenen Staates noch nicht so recht vorangekommen. Außerdem hingen sie ihrer ursprünglichen heidnischen Religion an und kannten keine schriftlichen Überlieferungen. Sie pflegten Kontakte zum Großmährischen Reich und zum Reich der Franken. Diese Kontakte waren nicht immer friedlich, aber es gelang ihnen, ihre relative Unabhängigkeit zu wahren.
Im 10. Jahrhundert, der erste deutsche Staat unter seinem König Heinrich I., einem Sachsen, hatte sich etabliert, wendete sich das Blatt. Im Westen des deutschen Siedlungsgebietes wurde das Land knapp. Das lag am herrschenden Erbrecht. Die Bauernstellen wurden zu gleichen Teilen an alle Söhne vererbt, und mit der Zeit konnte eine Bauernstelle keine Familie mehr ernähren, geschweige denn die Abgaben für Adel und Kirche aufbringen. Also mußte neues Land her, das man besiedeln konnte. Die Deutschen drangen über Saale und Elbe nach Osten vor und eroberten slawisches Gebiet.
Zunächst wurden die Eroberungen durch Burgen und Klöster gesichert, und die besiegten Slawen wurden christianisiert.
Im 12. Jahrhundert begann die massive deutsche Besiedelung des Ostens. Bauern aus Franken, Bayern, Sachsen, Flandern und den Niederlanden zogen ostwärts in der Hoffnung, als Vollbauern ein gesichertes Leben bei verminderten Abgaben und weitgehenden Allmende-Rechten führen zu können.
Sie brachten aus ihren Heimatgauen nicht nur verschiedene Rechtsauffassungen und Eigen-, Orts- und Flurnamen mit, sondern auch ihre angestammten Dialekte. Auf dem Gebiet des heutigen Sachsens, das als Markgrafschaft Meißen oder Meißnische Lande gegründet worden war, entwickelte sich später ein Mischdialekt, den wir heute „Sächsisch“ nennen. Nach vielem Hin und Her wurden die Wettiner Meißnische Markgrafen, und die Meißnischen Lande wurden durch die Silberfunde im Erzgebirge im 12. Jahrhundert reich. Die Wettiner führten eine moderne Verwaltung ein, und das Land boomte.
Zeitgleich war der sächsische Herzog Heinrich der Löwe zum mächtigsten deutschen Fürsten aufgestiegen. Er war außerdem Herzog von Bayern, und diese Machtfülle stieg ihm zu Kopf. Er hatte Ambitionen, selbst König und Kaiser zu werden. Als Heinrich seinem Kaiser Friedrich Barbarossa die Gefolgschaft für einen Feldzug gegen aufständische Städte in Norditalien verweigerte und Friedrich von den Aufständischen geschlagen wurde, entzog er 1180 Heinrich dem Löwen das Lehen Sachsen.
Er verteilte es an die Nachbarn, und das Herzogtum Sachsen existierte nur noch als Splitterstaaten weiter. Einer davon war Sachsen-Wittenberg. 1422 bekamen die Wettiner als Lohn für ihre Teilnahme an den Hussitenkriegen Wittenberg verliehen, verbunden damit war die Kurfürstenwürde. Allmählich wurde der Name „Sachsen“ auf die gesamten Meißnischen Lande übertragen. Um die „alten“ von den „neuen“ Sachsen unterscheiden zu können, führte man die Bezeichnungen „Niedersachsen“ und „Obersachsen“ ein, wobei die Bezeichnung „Obersachsen“ sich nicht durchsetzen konnte. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert galt der Name „Sachsen“ für das Kurfürstentum Meißen als Ganzes.
In Sachsen spricht man natürlich Sächsisch in verschiedenen Mundarten. Allerdings gibt es den authentischen Dialekt kaum noch, man spricht so etwas wie eine mitteldeutsche Umgangssprache. In der Oberlausitz, dem Erzgebirge und dem Vogtland werden fränkische Mundarten gesprochen, und in der Oberlausitz sprechen die Sorben ihre eigene westslawische Sprache. Der sächsische Dialekt ist beim Rest der Nation eher unbeliebt. Das hat mehrere Ursachen, beschränken wir uns darauf, einen Aspekt zu betrachten: Die Sachsen kämpften immer auf der falschen Seite, und die Wettiner waren immer zu unentschlossen und zu ungeschickt – manche sagen auch ‚zu blöd‘ -, ihre Irrtümer rechtzeitig zu korrigieren. So ließen sie sich von Napoleon I. im Jahre 1806 zu Königen machen, aber als Napoleons Stern zu sinken begann, hielten sie in Nibelungentreue zu ihm. Das führte dazu, daß die Sachsen zu den Verlierern der Befreiungskriege gehörten und 1815 mehr als die Hälfte ihres Territoriums an Preußen verloren.
Das – und die ehemalige Union mit Thüringen – ist der Grund, warum Sächsisch nicht nur in Sachsen, sondern auch in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen gesprochen wird.
Über die Sachsen und ihr Land gäbe es noch vieles zu sagen – ihre Berühmtheiten, ihre Eigenarten, ihre Besonderheiten. Aber das meiste davon wurde schon gesagt. Also – einfach mal guhgeln!
(c) 2012 Bernd Mai